Zwangsstörungen bei Hunden: gibt es das?

Ähnlich wie bei Menschen gibt es auch Zwangsstörungen bei Hunden. Um sie zu behandeln, müssen sie allerdings zuerst einmal erkannt werden.
Zwangsstörungen bei Hunden: gibt es das?
Luz Eduviges Thomas-Romero

Geschrieben und geprüft von der Biochemikerin Luz Eduviges Thomas-Romero.

Letzte Aktualisierung: 21. Dezember 2022

Es gibt viele Arten von Zwangsstörungen bei Hunden und anderen Säugetieren. Auch Menschen können unter diesem schwerwiegenden Problem leiden.

Bei Haustieren tritt das Problem oft während einer Stressphase auf. Unabsichtlich fördern viele Hundehalter bestimmte Verhaltensweisen, indem sie den Hund loben oder dem repetitiven Verhalten Beachtung schenken.

Man weiß, dass eine Prädisposition für Zwangsstörungen auch erblich bedingt sein kann. Cocker Spaniel sind zum Beispiel dafür bekannt, Gegenstände zu beschützen und manchmal sogar auch ihren eigenen körperlichen Raum.

Sind Zwangsstörungen bei Hunden anerkannt?

Ja, es gibt verschiedenste Arten von Zwangsstörungen bei Hunden. Die häufigsten sind im Kreis drehen, den eigenen Schwanz jagen, Licht oder Schatten jagen, Wände lecken, Gegenstände beschützen, Spielzeug oder Decken lecken.

Weitere Zwangsstörungen bei Hunden sind Halluzinieren (unsichtbare Mücken beißen), Appetit auf Substanzen, die nicht fressbar sind (wie etwa Erde, Steine oder Kot), rhythmisches Hin- und Herwiegen, ein fixer Blick und Vokalisieren. Einige Hunde zeigen ebenfalls ein ausgeprägtes Aggressionspotential.

Hunde können in einen Zustand geraten, in dem sie sich selbst verletzen oder Dinge zerstören. Das hängt oft mit Trennungsangst zusammen.

Im Folgenden beschreiben wir einige dieser Verhaltensweisen etwas genauer:

1. Zwangsstörungen bei Hunden: Drehen oder den eigenen Schwanz jagen

Bull Terrier und besonders English Bull Terrier tun dies sehr oft. Doch natürlich ist es nicht die einzige Rasse, die an einer solchen Störung leiden kann.

Fellnase jagt ihrem eigenen Schwanz hinterher

Kürzlich erschienene Studien deuten an, dass das Schwanzjagen, besonders bei Bull Terriern, eine Art von Autismus sein kann. Bei einer Studie aus dem Jahr 2011 von Moon-Fanelli und Kollegen fand man heraus, dass diese Zwangsstörung häufiger bei Rüden vorkommt.

Sie stellten ebenfalls fest, dass diese Verhaltensweisen scheinbar mit Trance-Zuständen und episodischer Aggression zusammenhängen.

Diese Erkenntnisse, in Zusammenhang mit dem sich wiederholenden Verhalten des Schwanzjagens und einer Tendenz zu Phobien, führten die Experten zu dem Schluss, dass das Jagen des Schwanzes eine Art von hündischem Autismus darstellen könnte.

Man muss allerdings auch hervorheben, dass diese Schlüsse nicht definitiv sind. In derselben Studie zeigte sich, dass dieses Syndrom ebenfalls mit einem genetischen Zustand zusammenhängen könnte, den man fragiles X-Syndrom nennt.

Vorsicht bei der Diagnose von hündischem Autismus

Es ist wichtig hervorzuheben, dass es eine Reihe weiterer Problemen bei Hunden gibt, die manchmal schwer zu diagnostizieren sind. Dazu gehören Angstzustände und Schmerz. Diese Probleme können klinische Anzeichen hervorrufen, welche jenen, die mit Autismus verbunden sind, sehr ähnlich sind.

Deshalb können Tierärzte und Hundehalter im Moment eigentlich nur sagen, dass ein Hund “Autismus haben könnte”.

Damit ein Hund provisorisch mit Autismus diagnostiziert wird, sollte er atypische repetitive Verhaltensweisen und einen bestimmten Grad an verringerter sozialer Interaktion mit Hunden und Personen zeigen. Außerdem sollte ein Tierarzt zuvor andere Probleme ausschließen, welche für die klinischen Zeichen verantwortlich sein könnten.

2. Ressourcenschutz, ein klares Zeichen für Zwangsstörungen bei Hunden

Ressourcenschutz ist ein Verhalten, bei dem Hunde etwas beschützen, was sie als Ressource ansehen. Dabei könnte es sich um ein Spielzeug, Futter oder irgendeinen Gegenstand handeln. Sogar du könntest die geschätzte Ressource deines Hundes sein.

Besitzergreifender Hund

Das Verhalten ist dazu gedacht, diese Ressource nicht zu verlieren. Es zeigt sich auf verschiedene Arten und oft merken die Bezugsmenschen gar nicht, was ihr Hund da beschützt, bis das Verhalten immer offensichtlicher wird.

Der Schutz kann bis zur Aggression gehen. Beide können sehr ähnlich sein, doch wenn ein Hund Angst hat, dann kann er versuchen, sich zurückzuziehen. Der Hund kann aktiv agressiv werden, wenn der Rückzug ihm nicht gelungen ist.

Genetik kann ein Auslöser von Ressourcenschutz sein. Dieses Verhalten stellt man oft bei Cocker Spanieln fest.

3. Pfotenlecken

Dieses Verhalten kann mit einem organischen Problem, wie etwa einer Verletzung oder Allergie, beginnen. Doch schließlich kann es sich aufgrund psychologischer Probleme, wie etwa Nervosität, weiterentwickeln.

Zwangsstörungen bei Hunden können sich auch durch übermäßiges Pfotenlecken zeigen

Das ständige Lecken schüttet Endorphine im Gehirn aus, die dem Tier Wohlsein vermitteln. Deshalb wiederholt der Hund das Verhalten, bis er seine Endorphine erhält.

Langeweile, Stress, Inaktivität und Allergien können eine Episode von obsessivem Lecken auslösen. Es ist wichtig, dass man herausfindet, was der Auslöser ist und dan versucht, den Zusammenhang zu eliminieren, um das Verhalten zu behandeln.

4. Zwangsstörungen bei Hunden: Licht und Schatten

Das ist eine klassische Zwangsstörung und normalerweise wird sie durch verschieden Stimuli ausgelöst. Meistens wird sie durch den Bezugsmenschen erzeugt. Das Verhalten beginnt oft aus Versehen, wenn eine Person das Licht anschaltet und sich bewegendes Licht oder Schatten erzeugt.

Der Hund reagiert und verfolgt das sich bewegende Licht. Der Bezugsmensch findet das lustig und wiederholt es mehrmals. Schon hat der Hund begonnen, mit Licht und Schatten zu spielen, was letztendlich zu einer Zwangsstörung führt. Andere Situationen können den Hund zu dieser Handlung stimulieren.

Häufig sieht man diese Art von Zwangsstörungen bei Hunden, die lange allein bleiben. Vorhänge oder Gardinen bewegen sich, was eine Bewegung im Licht, das durch sie scheint, hervorruft. Der Hund findet es dann interessant, diesem Licht zu folgen.

Auch hier werden Endorphine produziert und es kommt zur Zwangsstörung. Am häufigsten leiden Border Collies darunter. Auch andere Hütehunde können der Stimulierung durch Licht oder Schatten erlegen sein.

Zwangsstörungen ergeben sich zwar nicht immer durch Trennungsangst, doch sie können durch lange Abwesenheiten stimuliert werden. Experten meinen, dass sie auch mit dem Auftreten von Demenz oder Alzheimer zusammenhängen könnten.

Es gibt Behandlungen für diese Verhaltensarten, doch eine Heilung oder komplette Lösung ist nicht immer möglich. Häufig verwendet man eine Behandlung mit Serotonin. Außerdem gibt es eine “Aversionstherapie gegen Lärm”, um den Teufelskreis der Zwangsstörungen bei Hunden zu durchbrechen.


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  • Moon-Fanelli, A. A., Dodman, N. H., Famula, T. R., & Cottam, N. (2011). Characteristics of compulsive tail chasing and associated risk factors in Bull Terriers. Journal of the American Veterinary Medical Association, 238(7), 883-889.
  • Tiira K, Hakosalo O, Kareinen L, Thomas A, Hielm-Björkman A, Escriou C, et al. (2012) Environmental Effects on Compulsive Tail Chasing in Dogs. PLoS ONE 7(7): e41684. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0041684
  • Jacobs, J. (2016). Understanding Canine Resource Guarding Behaviour: An Epidemiological Approach (Doctoral dissertation).
  • Pérez-Guisado, J., Lopez-Rodríguez, R., & Muñoz-Serrano, A. (2006). Heritability of dominant–aggressive behaviour in English Cocker Spaniels. Applied Animal Behaviour Science, 100(3-4), 219-227. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0168159105003667

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